Thema des Monats September 2006: DRG-Controlling (eine kleine Einführung in die Wirren der DRGs)

  • Nachdem es in den letzten Monaten hauptsächlich um Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten ging, folgt diesen Monat eine kleine Einführung in das umfassende und teils verwirrende Gebiet der Diagnosos Related Groups.
    Es sei angemerkt, dass hier nur einen Bruchteil des Themenkomplexes angeschnitten und wiedergegeben werden kann.


    1. DRG-Kodierung und Controlling


    "Diagnosebezogene Fallgruppen" bilden die Grundlage für ein leistungsorientiertes Vergütungssystem für Krankenhausleistungen, mit dem alle Behandlungsfälle nach pauschalierten Preisen vergütet werden.


    Die Funktionsweise:


    DRG bilden ein Patientenklassifikationssystem, mit dem einzelne stationäre Behandlungsfälle anhand bestimmter Kriterien (Diagnose nach dem ICD-Schlüssel, ICD-10, OPS, Schweregrad der Erkrankung, Alter des Patienten, Komplikationen, Entlassungsgrund u.ä.) zu Fallgruppen zusammengefasst werden.
    Die Zuweisung eines Behandlungsfalls zu einer Fallgruppe (MDC) erfolgt in einem definierten Verfahren. Es werden solche Behandlungsfälle zusammengefasst, die medizinisch ähnlich und hinsichtlich des Behandlungskostenaufwands möglichst homogen sind. [stopper]
    Dabei gilt: Je mehr Kriterien einer Fallgruppe zugrunde gelegt werden und je mehr Fallgruppen ein System aufweist, desto differenzierter können die einzelnen Behandlungsfälle eines Krankenhauses hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades verglichen werden.
    Werden alle Behandlungsfälle über Diagnosen in Fallgruppen erfasst, ermöglichen DRG Vergleiche zwischen den Krankenhäusern hinsichtlich der Fallzahl und Fallstruktur (Case Mix) und bieten den Maßstab einer Vergütung über leistungsgerechte Preise.


    1.1 Fallpauschalen und Sonderentgelte, stationär
    case-based lump sum and procedural rate


    Bis zur Einführung der Diagnosis Related Groups durch das Fallpauschalengesetz wurden nach der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) einzelne, gut abgrenzbare stationäre Behandlungen über Fallpauschalen und Sonderentgelte pauschal vergütet. Seit der verpflichtenden Umsetzung der DRG in 2004 werden nur noch die Leistungen psychiatrischer Krankenhäuser nach der BPflV durch Fallpauschalen und Sonderentgelte bezahlt.


    Dabei vergüten Fallpauschalen die allgemeinen Krankenhausleistungen einschließlich Unterkunft, Verpflegung sowie vor- und nachstationäre Behandlung für einen Behandlungsfall. Mit Sonderentgelten werden einzelne Leistungskomplexe eines Behandlungsfalls vergütet, so z.B. die Operationskosten, Labor- und Arzneimittelkosten. Alle weiteren Leistungen eines Krankenhauses werden über zusätzliche Pflegesätze vergütet


    1.2 DRG-Entwicklung in Deutschland:


    Durch das 2002 in Kraft getretene Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz) wurde die Abrechnung nach DRG für deutsche Krankenhäuser verbindlich eingeführt u.a. mit dem Ziel, durch gleiche Preise für gleiche Leistungen den Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern anzuregen und die Kostenstruktur transparenter zu gestalten.


    Der Fallpauschalen-Katalog für Deutschland wurde durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK)entwickelt. Ausgangsgrundlage für die Entwicklung der in deutschen Krankenhäusern anzuwendenden DRG, der so genannten G-DRG, war das australische AR-DRG-System.
    Mit der Fallpauschalenverordnug 2004 wurde durch das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung im Rahmen der Ersatzvornahme ein Katalog von 824 Fallpauschalen (G-DRG) auf der Grundlage von 2,1 Millionen Daten verabschiedet.


    Die verpflichtende DRG-Einführung für alle Krankenhäuser (mit Ausnahme psychiatrischer Kliniken) erfolgte zum 1.1.2004. Die Einführungsphase (2003-2004) ist budgetneutral, das heißt, das Krankenhausbudget besteht fort, aber die Abrechnung erfolgt bereits über DRG.
    2005 bis 2006 schließt sich bis zum Endpunkt am 1.1.2007 die so genannte Konvergenzphase an. Dabei wird die krankenhausspezifische Vergütungshöhe schrittweise an ein landesweites Vergütungsniveau angepasst und die Budgets abgeschafft.
    Ab 2007 zahlen die Krankenkassen landesweit gleiche pauschale Preise für eine bestimmte Behandlung.


    1.3 Case Management


    "Fallmanagement" ist ursprünglich eine amerikanische Managementstrategie mit dem Ziel, die Versorgung von Versicherten in einer akuten Krankheitsepisode so zu steuern, dass in einem abgestimmten Prozess die individuell notwendigen Gesundheitsleistungen zeitnah zur Verfügung gestellt werden.


    Dabei verfolgt Case Management als eine Technik des Managed Care das Ziel, die Qualität der Versorgung so zu sichern, dass auch langfristig entstehende Kosten gesenkt werden. Diese Form der Fallführung geschieht durch so genannte Case Manager, die für die fortlaufende Fallbeobachtung, die Organisation eines optimalen Behandlungsprozesses und die Betreuung des Patienten auch zur Stärkung dessen Compliance zuständig sind. Case Management wird auch häufig gezielt zur Fallführung bei chronischen Erkrankungen im Rahmen des so genannten Disease Management eingesetzt.
    In den vergangenen Jahren ist die Idee des Case Managements im Sinne eines aktiven Versorgungs-Managements teilweise durch deutsche Krankenkassen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung -angepasst an deutsche Versicherungsstrukturen - übernommen worden.


    1.4 Stichprobenkontrollen der Krankenkassen
    1.4.1 Fehlbelegung
    inappropriate in-patient care


    Der Begriff Fehlbelegung bezeichnet stationäre Behandlungsfälle, die nicht oder nicht mehr der stationären Behandlung bedürfen. Fehlbelegung liegt z.B. vor, wenn
    · die stationären Leistungen durch ambulante Leistungen ersetzt werden können,
    · Patienten länger als notwendig stationär versorgt werden, z.B. auch aufgrund mangelnder pflegerischer Versorgung, oder
    · Patienten in Krankenhäuser zu hoher Versorgungsstufen eingewiesen werden.


    Das Ausmaß der Fehlbelegung in Deutschland ist umstritten. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen hat im Rahmen des "Modellvorhabens zur Prüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung" nach § 275 a SGB V geprüft, ob eine vollstationäre Krankenhausaufnahme aus medizinischen Gründen notwendig war oder bei alternativen Behandlungen hätte vermieden werden können.


    Diese aufgrund ihres methodischen Ansatzes nicht unumstrittene Prüfung von 63.665 stationären Behandlungsfällen ergab im ersten Halbjahr 2006 eine durchschnittliche Fehlbelegung von 22 Prozent.


    1.4.2 Wirtschaftlichkeitsprüfung
    efficiency Audit


    Die Überwachung der Wirtschaftlichkeit in der stationärenVersorgung ist eine gemeinsame Aufgabe der Krankenkassen und der Medizinischen Dienste. Hierzu werden bei den KVen Prüfungsausschüsse und Beschwerdeausschüsse gebildet, denen Vertreter der Ärzte und Krankenkassen angehören. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach
    § 106 SGB V wird zwischen Auffälligkeits- und Zufälligkeitsprüfungen unterschieden. Auffälligkeitsprüfungen werden vorgenommen, wenn die ärztlich verordneten Leistungen die Richtgrößen überschreiten. Bei Zufälligkeitsprüfungen werden pro Quartal bei zwei Prozent der Ärzte arzt- und versichertenbezogene Stichproben gezogen. Die Zufälligkeitsprüfungen umfassen neben dem zur Abrechnung vorgelegten Leistungsvolumen u.a. auch Überweisungen, Krankenhauseinweisungen und Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit. Für den Fall wiederholt festgestellter Unwirtschaftlichkeit greifen pauschale Honorarkürzungen, bei Überschreitung der Richtgrößen um mehr als 25 Prozent muss der Vertragsarzt den Mehraufwand erstatten, soweit er nicht durch Klinikbesonderheiten begründet ist. Der betroffene Arzt hat ein Beschwerderecht.


    Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz wurde das Verfahren der Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfung in weiten Teilen neu geregelt:


    · So vereinbaren jetzt die Ärzliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Zufälligkeitsprüfungen.
    · Die Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse werden jetzt von einer Geschäftsstelle unterstützt. Erfolgen Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht im vorgesehenen Umfang bzw. in der gesetzlichen Weise haften die Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und KVen. Dies gilt auch für den Fall, dass die erforderlichen Daten nicht übermittelt werden können.
    · Sofern das Verordnungsverhalten eines Arztes die Richtgrößen in einem Kalenderjahr um mehr als 15 Prozent überschreitet, beraten die Krankenkassen und KVen im Wege der Vorab-Prüfung.
    (§ 106 SGB V)


    1.4.3 Qualität
    quality


    ist ein vorrangiges Versorgungsziel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).So sind die Leistungserbringer verpflichtet, die Versorgung in der fachlich gebotenen Qualität zu erbringen (§ 70 SGB V).


    Die Qualität einer Leistung wird im Gesundheitswesen u.a. gemessen und bewertet nach ihrer
    · Strukturqualität: Sie bezieht sich auf die persönliche Qualifikation des Arztes und Personals sowie die Vorhaltung apparativer, technischer und räumlicher Ausstattungskapazitäten des Behandlungsortes (z.B. eigener Schulungsraum zur Schulung von Diabetes-Patienten);
    · Prozessqualität: Sie umfasst alle Handlungsprozesse der zwischenmenschlichen und medizinischen Interaktionen und Organisationsleistungen, die zur Versorgung von Patienten unternommen werden (Indikationsstellung, Diagnostik, Therapie und Optimierung der Behandlungsabläufe);
    · Ergebnisqualität: Sie bezieht sich auf das Behandlungsergebnis (z.B. Heilungsquoten, Komplikationen, Mortalitätsraten, Lebensqualität).


    In der GKV wird das Versorgungsziel Qualität durch unterschiedliche Maßnahmen der Qualitätssicherung und Qualitätsprüfungen fortlaufend überprüft. Für die Qualitätsmessung sind Kriterien erforderlich, die einen Vergleich der gemessenen Leistung mit Standards oder mit Leistungen anderer zulassen. Diese Vergleiche eröffnen die Perspektive für Qualitätsverbesserungen.


    1.4.4 Fachgruppendurchschnitt


    Der Fachgruppendurchschnitt ist ein Vergleichswert, der für die statistische Vergleichsprüfung, eine Form der Wirtschaftlichkeitsprüfung, herangezogen wird. Der Fachgruppendurchschnitt errechnet sich aus den Kosten der ärztlichen Leistungen je Behandlungsfall bezogen entweder auf alle Leistungen, eine Leistungsgruppe oder auf eine Leistung im Durchschnitt aller abrechnenden Ärzte der Fachgruppe in einem definierten Zeitraum. Tragende statistische Aussagen setzen eine ausreichend große und homogene Vergleichsgruppe voraus.


    1.4.5 Verweildauer
    length of stay


    ist die Zeitspanne einer Krankenhausbehandlung vom Aufnahme- bis zum Entlassungstag. Im internationalen Vergleich ist die Verweildauer in Deutschland relativ hoch. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 verbrachten Patienten in Deutschland durchschnittlich 9,6 Tage im Krankenhaus, in Dänemark 3,8 Tage, in Frankreich 5,5 Tage und in Italien 7 Tage. Die durchschnittliche internationale Verweildauer betrug im Jahr 2000 6,9 Tage (Quelle: OECD Health Data 2003). Durch das neue System der Krankenhausvergütung, die DRGs, erhofft sich das Bundesministerium für Gesundheit eine Verkürzung der Verweildauer.


    1.4.6 Ausreisser und Grenzwerte


    Als Ausreisser («outliers») werden Behandlungsfälle mit nicht erwartungsgemässen Aufenthaltsdauern (oder Kosten) bezeichnet. Sie werden über Grenzwerte identifiziert. Eine in DRG-Systemen oft verwendete Definition lautet: Ausreisser sind Behandlungsfälle, deren Aufenthaltsdauer (bzw. Kosten) länger als die durchshnittliche Aufenthaltsdauer plus zwei bzw. drei Standardabweichungen ist. In vielen DRG-Systemen werden die Grenz verweil dauern zunehmend durch Grenzwerte für Kosten ersetzt.


    2. Fazit


    In der Praxis gibt es jetzt, zwei Jahre nach der verbindlichen Einführung der DRGs, immer noch erhebliche Probleme zwischen Krankenkassen und Kliniken.
    Zum einen wolllen die Kliniken, und das zurecht, eine angemessene Vergütung für die erbrachten Leistungen erhalten, zum anderen wollen die Krankenkassen möglichst wenig bezahlen.
    Hier wird zumeist, die nach Meinung der Kassen, zu lange Verweildauer der Patienten bemängelt.
    Ärzte und Klinikpersonal sahen und sehen hier die Gefahr einer "Blutigen Entlassung" zum Nachteil der Patienten.
    Fakt ist, dass im Zuge der Gesundheitsreformen auf lange Sicht der Patient am kürzeren Hebel sitzt und ohne diverse Zusatzversicherungen vielleicht gar nicht mehr in den "Genuss" eines Klinikaufenthaltes kommen wird.

    Wer mühelos tut, was anderen Mühe macht, hat Talent; wer tut, was dem Talentierten unmöglich ist, hat Genie

    5 Mal editiert, zuletzt von Klaus Trophobie ()