Hallo Jeffy IuDioticus,
kann deinen Bericht sehr sehr gut nachvollziehen. Auch ich habe die Erfahrung gemacht, dass man als Fami, gerade in der Ausbildung, oft wie ein Praktikant von der Sonderschule behandelt wird und das ganz und gar unabhängig von der tatsächlichen Schulbildung. Ich habe auch den Fehler gemacht, nach dem Abi diese Ausbildung anzufangen und das sehr schnell bereut. Gut, es gab immer mal wieder Zeiten, da hat Fami-Sein auch Spaß gemacht. Zum Beispiel bei der Benutzerbetreuung, oder wenn man doch mal intensive wissenschaftliche Recherchen machen durfte. Aber die meiste Zeit, habe ich, mangels echter Aufgaben, mit dem Lesen von mitgebrachten Büchern etc. verbracht. Auch das Stöbern auf wikipedia hat mir sehr bei der Bekämpfung meiner anhaltenden Langeweile geholfen. Zum Schluss der Ausbildung wurden mir dann eigentlich alle meiner bisherigen Aufgaben abgenommen (Bildbearbeitung, Anfragenbearbeitung, Zeitungsausschnittsammlung...) und ich wurde zu so interessanten wie auch anspruchsvollen Aufgaben wie Wände streichen und Fensterputzen abkommandiert. Da fühlt man sich doch endlich mal gefordert, oder?
Von meinem Ausbildungsarchiv wurde ich dann auch, obwohl dies immer wieder versprochen wurde, nicht übernommen und ich musste ganz bis nach Südhessen ziehen, um eine neue Stelle zu finden. Denn Archiv-Fami-Stellen sind rar und meist im Süden zu finden. Nun wohne ich fast 400 Kilometer von meiner alten Heimat entfernt und habe immer noch einen langweiligen Job mit den gleichen öden Aufgaben. Wobei, jetzt brauche ich immerhin nicht mehr Putzen...
Und, genau wie bei dir, ist auch mir das Fami-Sein sehr auf die Seele geschlagen. Während meiner Ausbildung litt ich sehr heftig an Depressionen und rutschte dadurch in ein sehr tiefes Loch. Gegen Ende der Ausbildung hab ich mich wieder gefangen, aber die Zeit hat mich trotzdem nachhaltig geprägt.
Was du über die Überheblichkeit der Lehrer geschrieben hast, kann ich für unsere lieben Akademiker im Archiv vollends unterschreiben. Selten habe ich eine so vollkommen zu unrecht von sich und der Wichtigkeit ihrer Arbeit überzeugte Berufsgruppe wie die Archivare und Historiker kennengelernt. Wie die sich aufführen! Ich denke mir dann immer "Junge, finde du erst mal ein Heilmittel gegen Krebs, und dann können wir weiterreden..." Ich meine, ganz ehrlich: wieso denken diese Menschen, sie seien so etwas Besonderes? Wenn ein Atomkrieg kommt, brauchen wir dann im Bunker einen Archivar, damit die Akten auch in Zukunft schon sauber verzeichnet werden??? Hört sich vielleicht hart an, aber der Archivar ist genau genommen ein doch recht entbehrenswerter Beruf. Nicht, dass ich die Wahrung unserer Geschichte nicht gut und wichtig finde, aber sich deshalb als Übermensch zu betrachten, finde ich doch recht befremdlich.
Ich stimme dir auch zu, dass der Fami-Beruf eigentlich, zumindest im Archivsektor, überflüssig ist. Viele Stellen werden hier ohnehin durch angelernte Verwaltungskäfte besetzt und dann auch noch besser bezahlt, als die Fami-Stellen. Zumindest im Archivbereich würde ich also raten: wenn ihr später im Archivsektor landen wollt, euch aber auch andere Optionen offen halten wollt, dann macht ne Beamtenausbildung im öffentlichen Dienst. Und bewerbt euch einfach, wenn was im Archiv frei ist. Im ö.D. werden viele Archivstellen ohnehin nur intern ausgeschrieben, also habt ihr da eh schonmal die den Exklusivzugang. Man bedenke, dass jede größere Stadt eigentlich ein Stadtarchiv hat. Aber was wird an Stellen extern ausgeschrieben? Richtig, nada. Darüber kann ich mich immer wieder aufregen...
Ich werde jedenfalls auch definitiv noch was studieren gehen. Hatte ja eigentlich mal den Dipl.-Archivar angestrebt (vielleicht hätte ich dann erfahren, warum die sich für Götter halten?), aber dort kommt man als Fami nicht mehr rein. Und außerdem, will ich wirklich im Archiv versumpfen? Nee, danke.
Du siehst, du bist nicht der einzige, der den Beruf so negativ betrachtet, Jeffy IuDioticus.
Lg,
Porcelain
PS: Übrigens, ich beziehe mich hier nur den Archivsektor! Ich weiß, dass den Bibliotheksfamis ihre Arbeit oft viel Spaß macht und auch mir hat's in den Bibliotheken während der Praktika immer super gefallen. Und in Bibliotheken macht der Fami auch Sinn. Nur halt in Archiven nicht. Deswegen meine negativen Gefühle dem Beruf gegenüber.